Firma J. Hirschhorn
J. Hirschhorn AG

Einstieg in die Geschichte





von Max Breidenstein
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Version 1.0, Berlin 2011

Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Von der Gründung bis zum Inhaberwechsel(1868 - 1896)

2.1 Entwicklungen in der Firma

2.2 Patente und Marken

3. Die Firma im frühen 20. Jahrhundert (1896 - 1923)

3.1 Entwicklungen in der Firma

3.2 Patente und Marken

4. Die letzten Jahre: J. Hirschhorn AG (1923-1933)

4.1 Entwicklungen in der Firma

4.2 Patente und Marken

5. Anhang

6. Quellen



1. Vorwort

Jacob Hirschhorn hat unter Sammlern von Petroleumlampen einen klangvollen Namen. Unter diesem Namen wurde eine Vielzahl von qualitativ hochwertigen und technisch ausgereiften, gelegentlich auch innovativen Geräten für flüssige und gasförmige Brennstoffe hergestellt. Nicht wenige dieser Geräte haben die letzten ca. 100 Jahre überstanden und können ohne viel Aufwand wieder in Betrieb genommen werden.

Während also die Produkte Jacob Hirschhorns seit vielen Jahrzehnten einen gewissen Bekanntheitsgrad haben, ist über Jacob Hirschhorn selbst und über seine Firmen heute so gut wie nichts bekannt.
Da ich selbst zu den begeisterten Sammlern Hischhornscher Gerätschaften zähle und die Deutsche Wirtschaftsgeschichte der letzten 150 Jahre für ein sehr spannendes Kapitel der Deutschen Geschichte halte, brennt es mir schon länger auf den Nägeln, mehr über Hirschhorn zu erfahren.
Da fügte es sich gut, daß mein Sohn Max nach seinem Abitur den Wunsch äußerte, Geschichte zu studieren. Zwischen Abitur, Zivildienst, Praktikum und Studienbeginn blieb ein bißchen freie Zeit. Diese freie Zeit hat Max für intensive Recherchen in verschiedenen Archiven und vor Ort in Berlin genutzt. Er konnte dabei einige Informationen zusammentragen, die bis dahin nicht bekannt waren.
Mit dieser Arbeit stellt er seine Ergebnisse vor und fügt sie zu einem ersten Puzzle zusammen. Es liegt in der Natur der Sache, daß zu diesem Puzzle noch wichtige Teile fehlen, aber es wird ein Bild sichtbar, das man vorher nicht kannte und das man gerne genauer betrachten würde.
Ich hoffe, Max wird während seines Studiums die Gelegenheit haben, weitere Teile zusammenzutragen und das Bild zu schärfen. Bis dahin sage ich erstmal:

Vielen Dank!
Jürgen Breidenstein, Witten im September 2011


2. Von der Gründung bis zum Inhaberwechsel
(1868 - 1896)

2.1 Entwicklungen in der Firma1

Die Geschichte der Firma Jacob2 Hirschhorn beginnt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Berlin. Die Angaben über das genaue Gründungsjahr sind widersprüchlich, teilweise ist von 1868 die Rede, teilweise von 18693. Es entsteht eine „Fabrik für Haus- und Küchengeräte“, die zunächst in der Sebastianstraße 76, im heutigen Berliner Stadtteil Mitte ansässig ist.

In den folgenden Jahren ändern sich die Angaben zur Produktpalette mehrmals. Klar ist, dass ab 1872 Petroleumkochapparate hergestellt werden, spätestens ab 1875 tritt man öffentlich als „Erste Berliner Petroleum-Koch-Apparate-Fabrik“ in Erscheinung (Abb. 2). Auch Lampen und Laternen gehören recht schnell zum Sortiment Jacob Hirschhorns, sodass ab 1886 in Anzeigen von der „Grössten Fabrik von Petroleum-Lampen, Laternen und Koch-Appartaten“ zu lesen ist (Abb. 3). Ob es sich wirklich um die größte Fabrik dieser Art handelt, kann nicht nachgewiesen werden, gleichwohl wird deutlich, dass sich die Firma bereits zu diesem Zeitpunkt eine bedeutende Stellung in ihrem Geschäftsfeld erarbeitet hat.

Neben Koch- und Beleuchtungsapparaten widmet sich die Firma auch der Herstellung von Heizgeräten und Kaffeemaschinen.

1868 - 1871

Fabrik für Haus- und Küchengeräte, hergestellt werden zudem Metalldruckwaren

1872 - 1876

zusätzlich werden Petroleumkochapparate hergestellt

1877

zusätzlich werden Heizapparate hergestellt

1878 - 1884

(Dampf-)Metalldruckwarenfabrik mit besonderem Augenmerk auf Petroleumkochapparaten, Kaffeemaschinen, Laternen und Lampen; auch Petroleum- und Gasheizöfen werden hergestellt

1885 - 1895

Petroleum-Lampen-, Petroleum-Kochapparate-, Petroleum-Laternen und Metalldruckwarenfabrik

Abb. 1: Firmenbezeichnungen und Produktpalette von 1868 bis 1895




Abb. 2: Anzeige aus dem Berliner Adressbuch von 1875




Abb. 3: Anzeige aus dem Berliner Adressbuch von 1886


Abb. 4: Das Gebäude an der Stralauer Brücke/Rolandufer 3. Hier war die Firma J. Hirschhorn von 1874 bis 1890 ansässig. Im Anschluss galt selbiges bis 1909 für die Firma M. Hirschhorn. Abb. 5: Die Köpenickerstraße 148/149. Von 1890 bis 1930 Heimat der Firma J. Hirschhorn.

Der Sitz der Firma bleibt nicht lange in der Sebastianstraße 76. Schon 1874 zieht sie um, der neue Standort befindet sich nun An der Stralauer Brücke 3 (heute: Rolandufer 3; Abb. 4), nur etwa einen Kilometer weiter nördlich im gleichen Stadtteil. 1890 folgt der nächste Umzug: Die Firma J. Hirschhorn zieht in ein Gebäude an der Köpenickerstraße 149 (Abb. 5). Ab 1888 wurde dort ein neuer Gewerbehof errichtet. Das Gelände befindet sich in unmittelbarer Nähe der vorherigen Adressen. Nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg sind heute noch zwei Quergebäude des Gewerbehofes mit Seitenflügeln erhalten.4 Die Firma J. Hirschhorn erwirbt 1909 auch das Nachbargrundstück mit der Hausnummer 148.

Das Gebäude an der Stralauer Brücke 3 bleibt nach dem Umzug der Firma J. Hirschhorn jedoch nicht ungenutzt. 1890 entsteht hier mit der Firma M. Hirschhorn ein neues Unternehmen. Die Firma wird von Moritz Hirschhorn geführt. Es könnte sich um Jacobs Bruder handeln (es könnte evtl. auch sein Sohn sein).

Mit Petroleum-Kochapparaten, Heizöfen und Lampen bietet die Firma M. Hirschhorn die gleichen Produkte wie die Firma J. Hirschhorn an. 1902 scheidet Moritz Hirschhorn als Inhaber aus und wird durch Max Hirschhorn ersetzt. Max ist vermutlich Moritz' Sohn und demnach Jacobs Neffe. Lange leitet Max Hirschhorn die Geschicke der Firma jedoch nicht. Ab dem Jahr 1909 existiert keine Firma M. Hirschhorn mehr, es liegt nahe, dass die Firma Konkurs gegangen ist oder aufgegeben wurde.

Bei der Firma J. Hirschhorn kommt es 1895 zu einer Veränderung. Fortan führt Jacob das Unternehmen nicht mehr alleine, Karl Kilinski tritt als Mitinhaber in Erscheinung. Kilinski ist für Jacob Hirschhorn jedoch kein Unbekannter: Jacob ist mit Cäcilie Hirschhorn, einer geborenen Kilinski5, verheiratet. Es ist anzunehmen, dass Cäcilie und Karl Geschwister sind. Karl wäre demnach Jacobs Schwager.



Abb. 6: Anzeige von 1892 aus den „Fliegenden Blättern“

Nur ein Jahr später, 1896, erhält die Firma einen weiteren Inhaber. Dr. Franz Fürstenheim gesellt sich zu Karl Kilinski und Jacob Hirschhorn (Abb. 7). Auch in diesem Fall gibt es familiäre Verbindungen. Fürstenheim (geboren am 22.01.1866 in Küstrin) ist seit 1892 mit Clara Fürstenheim (geboren am 18.12.1874 in Berlin unter dem Namen Hirschhorn) verheiratet.6 Dass Clara in verwandtschaftlichem Verhältnis zu Jacob Hirschhorn steht, ist sehr wahrscheinlich. Ob es sich um eine Tochter oder Schwester Hirschhorns handelt, kann nicht ermittelt werden, wenngleich das Geburtsdatum es als naheliegender erscheinen lässt, dass Clara Jacobs Tochter ist. Somit wäre Franz Fürstenheim Jacob Hirschhorns Schwiegersohn.




Abb. 7: Eintrag im Berliner Adressbuch von 1896. Als Inhaber sind Jacob Hirschhorn, Karl Kilinski und Dr. Franz Fürstenheim vermerkt.


Franz Fürstenheim besuchte von 1873/1874 bis 1884 das „Raths- und Friedrichs-Gymnasium mit Vorschule zu Cüstrin“.7 Anschließend studiert er Medizin, 1889 verfasst er seine Dissertation „Ueber Amaurose nach Blepharospasmus“.8 Von 1891 bis 1896 ist er als privater Arzt und Kinderarzt in Berlin tätig. Zudem ist er von 1892 bis 1903 Mitglied der „Berliner medicinischen Gesellschaft“.9 Diese Tatsachen verdeutlichen, dass Fürstenheim als praktizierender Mediziner 1896 Inhaber einer Firma für Petroleumlampen und Petroleumkochern wird – ein sicher recht ungewöhnlicher Umstand. Im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts wird Fürstenheim dennoch die prägende Gestalt der Firma J. Hirschhorn sein.

2.2 Patente und Marken

In der Zeit bis 1896 lässt sich die Firma einige Erfindungen patentieren (Abb. 7). Darunter sind kleine technische Details und weiterreichende Neuerungen. Aus heutiger Sicht ist es jedoch schwierig, eine solche Unterteilung vorzunehmen, da oft nicht nachvollzogen werden kann, inwieweit sich eine Erfindung letztlich als bahnbrechend erwies. Recht schnell lässt Hirschhorn auch im Ausland patentieren, so. z.B. schon 1888 in Schweden oder ab 1889 in der Schweiz, des Weiteren 1895 in Großbritannien.

Besondere Erwähnung kann das deutsche Patent Nr. 90184 finden, dass nicht wie die anderen Patente dieser Zeit von Jacob Hirschhorn selbst, sondern von Cäcilie Hirschhorn und Clara Fürstenheim angemeldet wird.


Anmel-dungs-datum

Patentinhaber


Patentname

Patent-nummer

Land

17.12.1879

Jacob Hirschhorn in Berlin.

Neuerungen an Petroleum-Kochapparaten.

10390



30.12.1882


Jacob Hirschhorn in Berlin.


Auslöschvorrichtung für Flachbrennerlampen.

23391




17.12.1885


Jacob Hirschhorn in Berlin.


Neuerung an Petroleumlampen zur Vermehrung der äufseren und inneren Luftzuführung und zur Kühlhaltung des Oelbehälters.

36915




01.09.1888

J. Hirschhorn in Berlin.

Neuerung an Sturmlaternen.

48868



25.10.1888


J. Hirschhorn, Berlin (Tyskland).

Anordnung vid stormlanternor.


1842




16.01.1889


J. Hirschhorn in Berlin.


Neuerung an Dochtführungen für Petroleumlampen.

52064




31.12.1889


Jacob Hirschhorn, in Berlin.


Petroleum-Kochapparat.


1783




23.12.1890


J. Hirschhorn in Berlin.


Hebevorrichtung für die Brennergalerie von Lampen.

60338




10.01.1891


Jakob Hirschhorn, in Berlin.


Petroleumkochapparat.


3205




15.01.1891


Jacob Hirschhorn, in Berlin.


Dochtträger an Petroleumbrennern.


3077




15.01.1891


Jakob Hirschhorn, in Berlin.


Stützvorrichtung für anhebbare Lampenglasgallerien an Petroleumbrennern.

3187



13.11.1893


Jakob Hirschhorn, in Berlin (Deutschland).

Petroleumheizofen.


7680



25.06.1894


Jakob Hirschhorn, in Berlin (Deutschland).


Petroleumheizofen mit hebbarem und in gehobener Stellung feststellbarem doppeltem Metallcylinder.

8620




16.02.1895


Jacob Hirschhorn of 149 Köpenicker Strasse, Berlin in the Empire of Germany, Lamp Manufacturer

Improvements in or connected with Pedestal and Bracket Lamps.


3398




24.06.1895


Jacob Hirschhorn, in Berlin (Deutschland).

Petroleumheizofen mit umklappbarem Metallcylinder.

10621




07.12.1895


Frau Cäcilie Hirschhorn geb. Kilinski und Frau Clara Fürstenheim geb. Hirschhorn in Berlin.

Feststellvorrichtung für Brennergallerien von Lampen.


90184




16.01.1896


Jacob Hirschhorn, in Berlin (Deutschland).


Vorrichtung an Spirituskochern, welche die Entnahme des zum Anwärmen des Vergasers nötigen Quantums Spiritus aus dem Behälter ermöglicht.

11473




Abb. 8: Patente zwischen 1868 und 1896.

Die bis 1896 entstandenen Marken sind heute wenig bekannt. Die Aida-Marke beispielsweise entsteht erst später.

Anmel-dungs-datum

Markeninhaber


Markenname/Beschreibung

Markenart


Marken-nummer

17.04.1889


J. Hirschhorn, Berlin, Köpenickerstr. 149.

Brillant

Bild

7287


18.11.1893


J. Hirschhorn, Berlin, Köpenickerstr. 149.

Petroleum-Heiz-Ofen Der Diamant


Bild

7669


19.04.1894


J. Hirschhorn, Berlin, Köpenickerstr. 149.

Rheingold Brenner


Bild

7263


1. Okt 1894

J. Hirschhorn, Berlin.

Petroleum-Heiz-Ofen Der Universal

Bild

475

01.04.1895


J. Hirschhorn, Berlin SO., Köpenickerstr. 149.

„International-Lampe“


Wort

15391


Abb. 9: Marken zwischen 1868 und 1896.







Abb. 10: Bildmarke „Petroleum Heiz-Ofen Der Diamant“ (1893) aus dem „Warenzeichenblatt“

Abb. 11: Bildmarke „Petroleum Heiz-Ofen Der Universal (1894) aus dem „Warenzeichenblatt“







Abb. 13: Bildmarke „Brillant“ (1889) aus dem „Warenzeichenblatt“



Abb. 12: Bildmarke „Rheingold Brenner“ (1894) aus dem „Warenzeichenblatt“

Abb. 14: Wortmarke „International-Lampe“ (1895) aus dem „Warenzeichenblatt“



3. Die Firma im frühen 20. Jahrhundert
(1896 - 1923)

3.1 Entwicklungen in der Firma10

Ab dem Jahr 1897 ist Jacob Hirschhorn in den Berliner Adressbüchern nicht mehr als Inhaber seiner Firma vermerkt. Fortan führen Dr. Franz Fürstenheim, Karl Kilinski und Jacobs Frau Cäcilie Hirschhorn die Firma. Ab 1903 wird Cäcilie Hirschhorn in den Berliner Adressbüchern als Witwe geführt: Ein klares Indiz dafür, dass Jacob Hirschhorn (spätestens) im Jahr 1902 stirbt. Die Tatsache, dass in den Jahren vor dem Tod neue Inhaber zur Firma stoßen bzw. dass Jacob Hirschhorn ab 1897 keine Verantwortung mehr trägt, könnte darauf hindeuten, dass er schon erkrankt war und sich in seinen letzten Jahren um den Fortbestand der Firma kümmerte. Dies bleibt allerdings rein spekulativ.

Nach Karl Kilinskis Ausscheiden 1900 tragen die folgenden 23 Jahre Franz Fürstenheim und Cäcilie Hirschhorn die Verantwortung. Das Grundstück an der Köpenickerstraße 149 gehört Cäcilie, sie ist von 1902 bis 1912 Mitglied im Verein der (Berliner) Grundstücksbesitzer.

Franz Fürstenheim ist gesellschaftlich sehr engagiert. Er tritt 1915/1916 der Goethe-Gesellschaft bei11 und der gleichen Quelle ist zu entnehmen, dass Fürstenheim als Handelsrichter tätig ist. Anlässlich der Silberhochzeit mit seiner Frau Clara gründet Franz Fürstenheim 1917 eine „Franz und Clara Fürstenheim Stiftung“ bei der Armenkommission der Jüdischen Gemeinde. Die Stiftung soll hilfsbedürftigen Ehepaaren helfen.12

Fürstenheims genaue Aufgaben bzw. Tätigkeiten in der Firma werden hingegegen nicht ganz klar. Darauf wird im folgenden Kapitel genauer eingegangen.

Die Produktpalette ändert sich nicht mehr in größerem Umfang: Es werden Lampen, Kochapparate und verstärkt ab 1905 auch Öfen hergestellt.


1896 - 1904

Petroleum-Kochapparate- und Lampenfabrik

1905 - 1923

Lampen-, Kochapparate- und Heizöfenfabrik

Abb. 15: Firmenbezeichnungen und Produktpalette von 1896 bis 1923




Abb. 16: Titelseite eines Prospekt des französischen Händlers H. Markhbeinn aus dem Jahr 1921.


Wie bereits erwähnt, erwirbt die Firma 1909 auch das Grundstück an der Köpenickerstraße 148, das Unternehmen scheint weiter zu wachsen.

In die Zeit von 1896 bis 1923 fällt der Beginn einer erwähnenswerten Kooperation mit dem französischen Händler Markhbeinn. 1921 erscheint ein Prospekt Markhbeinns (Abb. 16), auf dessen Titelseite der „springende Hirsch“ (siehe 3.2. Patente und Marken) zusammen mit dem Logo der „Feuerhand“ zu sehen ist. Hinweise einer Zusammenarbeit gibt es auch für die Jahre 1926 und 1932.

Nur drei Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ist die deutsch-französische Kooperation sicherlich bemerkenswert. Genaueres über die Umstände der Zusammenarbeit ist jedoch nicht bekannt.



3.2 Patente und Marken

Die Vermutung liegt nahe, dass Jacob Hirschhorn am 27. April 1900 das letzte Mal selbst ein Patent einreicht. Alle nachfolgenden werden entweder von der Firma J. Hirschhorn, oder von anderen Einzelpersonen (Franz Fürstenheim, Cäcilie Hirschhorn) eingereicht. Ein weiteres Indiz für den Tod Hirschhorns spätestens 1902.

Wenn aber Jacob Hirschhorn ab 1902 nicht mehr lebt und nachfolgend weiter Patente eingereicht werden (Abb. 17), die Firma weiter wächst und es insgesamt erfolgreich weiter zu gehen scheint, stellt sich die Frage, wer für die Erfindungen verantwortlich zeichnet bzw. wer in technischer Hinsicht die Firma J. Hirschhorn führt. Dr. Franz Fürstenheim, der vor seiner Tätigkeit in der Firma noch praktizierender Arzt war? Dafür könnten drei Patente (in den Jahren 1901, 1902 und 1905), die persönlich unter Fürstenheims Namen in Großbritannien eingereicht werden, sprechen. Die Patente von 1901 und 1905 (dieses gemeinsam mit Cäcilie Hirschhorn) sind dabei ganz offensichtlich Erfindungen für die Firma, sie betreffen Gasbrenner und Heizgeräte. Das Patent von 1902 („Improvements in and connected with Sterilizing Apparatus“) hingegen betrifft eine medizinische Gerätschaft, die Fürstenheim eher in seiner Rolle als Arzt erfunden haben könnte. Bestandteil dieser medizinischen Gerätschaft ist jedoch auch ein Brenner. Es ist also möglich, dass Fürstenheim schon als Arzt in technischen Dingen beschlagen war und so den Weg in das Lampen- und Kochgerätegeschäft findet um mit seinem technischen Wissen dort zu arbeiten.

Ein weiteres Indiz, dass auf diese Theorie hindeutet, findet sich in einem schwedischen Patent von 1901. Das Patent ist angemeldet von der Firma J. Hirschhorn, doch Franz Fürstenheim ist explizit als Erfinder (schwedisch: „Uppfinnare“) angegeben. Unklar ist jedoch, ob solche Angaben in den Patenten damals rein rechtlicher Natur waren, oder ob Fürstenheim tatsächlich im technischem Sinne Erfinder ist. Gleiches gilt wohl für die direkt auf seinen Namen angemeldeten Patente.

Cäcilie Hirschhorn meldet 1905 gemeinsam mit Franz Fürstenheim ein Patent an, 1895 gemeinsam mit Clara Fürstenheim (siehe 2.2 Patente und Marken), sonst gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass Cäcilie Hirschhorn hinter den Erfindungen stehen könnte.

Die andere Möglichkeit ist, dass die Erfindungen von Mitarbeitern der Firma J. Hirschhorn ausgehen, die komplett im Hintergrund arbeiten. Denn klar ist, in der Öffentlichkeit stehen nur Franz Fürstenheim und Cäcilie Hirschhorn als Inhaber der Firma.



Anmel-dungs-datum

Patentinhaber


Patentname

Patent-nummer



Land

10.01.1898


J. Hirschhorn, in Berlin (Deutschland).

Schauglas an Petroleumkochern.


15912




26.06.1899



J. Hirschhorn, in Berlin (Deutschland).


Einrichtung bei Petroleumkochern zur Feststellung der Brennerkappe in gehobener Stellung.

19040





09.10.1899



J. Hirschhorn, in Berlin (Deutschland).


Einrichtung bei Petroleumkochern zum vorübergehenden Festhalten des Kochermantels an dem Fußgestell.

18985





27.04.1900


J. Hirschhorn, in Berlin (Deutschland).

Petroleumheizofen.


22151




27.04.1900


Firma: J. Hirschhorn, in Berlin (Deutschland).

Petroleumheizofen.


22242




13.12.1900


Firma J. Hirschhorn in Berlin.

Spiritusglühlichtlampe mit dochtführendem, central angeordnetem Vergaser.

123759




15.03.1901


Firma J. Hirschhorn in Berlin.

Gasglühlichtbrenner.


8597




25.03.1901



Franz Fürstenheim, of Köpenickerstrasse 115, Berlin in the Empire of Germany, Doctor of Medicine

Improvements in or relating to Incandescent Gas-burners.



6262





04.04.1901


Firma: J. Hirschhorn, in Berlin (Deutschland).

Gasglühlichtbrenner.


24254




09.04.1901


Fabrikantfirmaet I. Hirschhorn, Berlin, Tyskland.

Gasglødelysbrænder.


4814




10.04.1901



Firman J. Hirschhorn, Berlin (Tyskland). (Uppfinnare: F. Fürstenheim).

Brännare för gasglödljusbelysning med central lufttillförsel.


14164




13.02.1902



Franz Fürstenheim, of the Firm trading under the style of J. Hirschhorn, of Köpenickerstrasse, 115, Berlin in the Empire of Germany, Doctor of Medicine

Improvements in and connected with Sterilizing Apparatus.



3752




21.03.1902


Firma J. Hirschhorn in Berlin.

Rundbrenner für Petroleumheizöfen.


139291




27.03.1902


Firma: J. Hirschhorn, in Berlin (Deutschland).

Rundbrenner für Petroleumheizöfen.


25604




27.03.1902


Firma: J. Hirschhorn, in Berlin (Deutschland).

Heizofen für flüssige Brennstoffe.


25605




31.03.1903


Firme: J. Hirschhorn résidant en Allemagne.

Système de poele à alcool.


330760




31.03.1903


Firme: J. Hirschhorn résidant en Allemagne.

Dispositif pour alimenter de combustible la rigole d'amorcage dans les poeles à alcool

330761




28.11.1903


Baruch Cars of 124 to 130 Tabernacle Street, Finsbury, in the County of London Lamp and Stove Manufacturer13

Improvements in or connected with Round Wick Bourners.


26062




30.05.1905


Dr. Franz Fürstenheim and Mrs. Cäcille Hirschhorn of the Firm of J Hirschhorn, Lamp Manufacturers, Köpenickerstrasse 149, Berlin, Germany

Improvements in Gas Heating-apparatus for Baths.


11350




22.11.1905


Firma J. Hirschhorn in Berlin.


Leicht auswechselbare Pumpe zum Überführen von Brennstoff aus dem Behälter in die Vorwärmeschale an Spiritusglühlichtlampen.

182037




13.03.1906


Firma J. Hirschhorn in Berlin.


Glühlichtbrenner für Mineralöle, Spiritus o. Dgl. mit an die Dochtrohrmündung anschließendem Flansch.

192592




31.03.1906


Firma J. Hirschhorn in Berlin.

Glühlichtbrenner für Mineralöle, Spiritus o. Dgl.

195116




20.05.1906


Firma J. Hirschhorn in Berlin.

Glühlichtbrenner für Mineralöle, Spiritus o. Dgl.

200301




07.07.1907


Firma J. Hirschhorn in Berlin.


Glühlichtlampe für flüssige Brennstoffe mit oberhalb der Nutzflamme gelagertem Verdampfer und außerhalb der Glocke liegender Mischdüse.

205457




09.02.1908


Ewald Schmidt in Mahlsdorf B. Berlin.14

Dampfglühlichtbrenner mit gebogenem Mischrohr.

204170




24.12.1908


Firma J. Hirschhorn in Berlin.

Dampfglühlichtbrenner mit gebogenem Mischrohr.

38093




24.12.1908


Firma J. Hirschhorn in Berlin.


Glühlichtlampe für flüssige Brennstoffe mit oberhalb der Nutzflamme gelagertem Verdampfer und außerhalb der Glocke liegender Mischdüse.

38094




13.02.1909


Firma J. Hirschhorn in Berlin.


Regelungsdüse für Bunsenbrenner mit einem im Düsenkanal zwangsläufig geführten Ventilkörper.

214143




17.02.1909


Firma J. Hirschhorn in Berlin.


Regelungsdüse für Bunsenbrenner mit einem im Düsengehäuse zwangsläufig geführten Ventil.

218669




25.02.190915

Firma J. Hirschhorn, Berlin

Glödljuslampa för flytande bränsle.

3601




19.08.1909


Firma J. Hirschhorn in Berlin.

Spiritusdampfer für Koch- und Heizzwecke.

233593




13.12.1909


Firma J. Hirschhorn in Berlin.

Regelungsdüse für Bunsenbrenner.


42504




07.01.1910


Fa. Firma J. Hirschhorn in Berlin.


Lampe für flüssige Brennstoffe mit im Schornstein hochgeführtem Vergaser, am Schornstein angebrachtem Vorratsbehälter und einer den Zufluß des Brennstoffs zum Vergaser regelnden Sturzflasche.

235597




01.02.1910


The Firm J. Hirschhorn, Lamp Manufacturers, of Köpenickerstrasse, 149, Berlin, in the German Empire

An Improved Regulating Device for Bunsen-burners.


2528




10.03.1910


Firma J. Hirschhorn in Berlin.


Drucklose Dampfbrennerlampe für hängendes Glühlicht, insbesondere für Petroleum.

268485



10.06.1910


Firma J. Hirschhorn in Berlin.

Drucklose Dampfbrennerlampe für hängendes Glühlicht, insbesondere für Petroleum.

50643




13.07.1912


Firma J. Hirschhorn in Berlin.


Dampbrennerlampe für Hängelicht mit hochgelagertem Brennstoffbehälter und wagerecht liegendem Verdampfer.

264518




04.05.1920


Firma J. Hirschhorn in Berlin.

Glühlichtbrenner für flüssigen Brennstoff.


374206



Abb. 17: Patente zwischen 1896 und 1923.


Auffällig ist, dass in der Zeit ab 1896 viele Patente angemeldet werden. Dies gilt in besonderem Maße bis 1910. Kaum verwunderlich ist es dagegen, dass während des Ersten Weltkriegs bzw. auch des Jahres davor und danach keine Patentanmeldungen stattfinden. Erstmals liegen Patente auch aus Österreich (1901), Dänemark (1901), Frankreich (1903) und Finnland (1909) vor.
Für Marken gilt ähnliches. Von 1896 bis 1923 werden 16 neue Marken angemeldet. Die bekanntesten sind sicher die Bengalia- (1904), die Titan- (1904) und die Aida-Marke (1906) sowie der dazugehörige „springende Hirsch“ mit dem umgebundenen Horn (1906). Es finden sich aber auch Marken, die heute weitgehend unbekannt sind.

Anmel-dungs-datum

Markeninhaber


Markenname/Beschreibung

Markenart


Marken-nummer

04.03.1897


J. Hirschhorn, Berlin, Köpenickerstr. 149.

Champion


Wort

23817


16.09.1899


J. Hirschhorn, Berlin, Köpenickerstr. 149.

„Hirsch mit Initialien J.H.“


Bild

40574


14.05.1904


Fa. J. Hirschhorn, Berlin, Köpenickerstr. 149.

Bengalia


Wort

70804


14.05.1904


Fa. J. Hirschhorn, Berlin, Köpenickerstr. 149.

Titan


Wort

475


11.04.1906


Fa. J. Hirschhorn, Berlin, Köpenickerstr. 149.

Aida

Wort

89470


05.05.1906


Fa. J. Hirschhorn, Berlin, Köpenickerstraße 149.

„springender Hirsch“


Bild

89291


25.03.1908

Fa. J. Hirschhorn, Berlin.

Pipette

Wort

108646

13.08.1908


Fa. J. Hirschhorn, Berlin, Köpenickerstr. 149.

Carmen


Wort

113407


22.12.1908


Fa. J. Hirschhorn, Berlin, Köpenickerstr. 148 49.

Bonares


Wort

116418


09.01.1910

Fa. J. Hirschhorn, Berlin.

Ifak“

Wort

127947

04.07.1910

Fa. J. Hirschhorn, Berlin, Köpenickerstr. 149.

„Clara“

Wort

135610

18.05.1911

Fa. J. Hirschhorn, Berlin.

Saja

Wort

148319

05.02.1912

Fa. J. Hirschhorn, Berlin.

„JARI“

Wort

160276

04.09.1912

Fa. J. Hirschhorn, Berlin.

„Lotos“

Wort

167293

18.09.1912

Fa. J. Hirschhorn, Berlin.

Tusculum

Wort

168221

24.09.1913

Fa. J. Hirschhorn, Berlin.

Spido

Wort

188030

Abb. 18: Marken zwischen 1896 und 1923.






Abb. 20: Wortmarke „Titan“ (1904) aus dem „Warenzeichenblatt“



Abb. 19: Bildmarke „Hirsch mit Initialien J.H.“ (1899) aus dem „Warenzeichenblatt“

Abb. 21: Wortmarke „Aida“ (1906) aus dem „Warenzeichenblatt“






Abb. 22: Wortmarke „Bengalia“ (1904) aus dem „Warenzeichenblatt“



Abb. 23: Wortmarke „JARI“ (1912) aus dem „Warenzeichenblatt“

Abb. 24: Bildmarke „springender Hirsch“ (1906) aus dem „Warenzeichenblatt“

4. Die letzten Jahre: J. Hirschhorn AG
(1923-1933)

4.1 Entwicklungen in der Firma16

1923 kommt es zu einer weitreichenden Veränderung in der Unternehmensstruktur. Die Firma J. Hirschhorn wird zur Aktiengesellschaft und fungiert fortan unter dem Namen J. Hirschhorn AG. Im Zuge dieser Entwicklung scheidet Cäcilie Hirschhorn aus der Führung des Unternehmens aus. Geschäftsführer der Aktiengesellschaft, sind Dr. Franz Fürstenheim, Sali Jarecki und Julius Walter Fürstenheim. Julius Walter (geboren am 03.09.1892 in Berlin17) ist der Sohn von Franz und Clara Fürstenheim.

Zu einem weiteren großen Einschnitt in die Firma kommt es 1928. Am 27. Dezember schließen Julius Walter Fürstenheim und Sali Jarecki (Dr. Franz Fürstenheim ist ab 1928 kein Geschäftsführer mehr) von der J. Hirschhorn AG einen Vertrag mit Hans Pahl (einer der Hauptaktionäre der Ehrich & Graetz AG). Gemäß Vertragsinhalt wird eine „AIDA-Gesellschaft für Beleuchtung und Heizung“ gegründet, die fortan die AIDA-Produkte und weitere Produkte, die bisher von der J. Hirschhorn AG vertrieben wurden, vertreiben soll. Dazu überträgt die J. Hirschhorn AG der AIDA-Gesellschaft insgesamt 21 Markenrechte, darunter die Marke „Aida“ selbst und der „springende Hirsch“. Im Vertrag heißt es:

„Gegenstand des Unternehmens ist die Fortführung des bisher von der
J. Hirschhorn Aktiengesellschaft betriebenen Handelsgeschäfts in Beleuchtungs- und Heizkörpern für flüssige Brennstoffe nebst Zubehör und verwandten Artikeln unter den bisher für die J. Hirschhorn Aktiengesellschaft eingetragenen und von dieser auf die hierdurch gegründete „Aida“ Gesellschaft für Beleuchtung und Heizung mit beschränkter Haftung zu übertragenden Warenzeichen, insbesondere unter dem Warenzeichen „Aida“., vor allem auch der Vertrieb der unter dem Warenzeichen „Aida“ bekannten Glühlichtlampe.“18

Offizielle Rechteübergabe ist am 28 Juni 1929. Als Geschäftsführer fungieren Julius Walter Fürstenheim und Hans Pahl. Die Gesellschafter sind die J. Hirschhorn AG und Hans Pahl, der also als Privatperson auftritt. Das Stammkapital der neu gegründeten Gesellschaft beträgt 60.000 Reichsmark. Hiervon bringt die J. Hirschhorn AG 50.000 Reichsmark als Stammeinlage ein und hält also über 80 Prozent der Anteile. Hans Pahl bringt 10.000 Reichsmark ein. Hans Pahl ist zwar als Privatperson Gesellschafter der Firma, doch die Ehrich & Gratz AG ist sehr sicher auch in das Geschäft involviert. Ab (spätestens) 1936 besitzt die Ehrich & Graetz AG schließlich die Aida-Gesellschaft.19 Ab 1939 ist die Adresse der Aida-Gesellschaft und der Ehrich & Graetz AG in den Berliner Adressbüchern identisch: Elsenstraße 87. Über genaue Hintergründe und Motive des Vertrages ist nichts bekannt.

Die Produktpalette der J. Hirschhorn AG bleibt zunächst die gleiche, wie die der Firma J. Hirschhorn. Weiter widmet man sich der Herstellung von Lampen, Kochapparaten und Heizöfen. Ab 1928 erweitert sich die Palette etwas. Nun wird auch auf die Produktion von elektrischen Lampen und Badeöfen hingewiesen. Des Weiteren ist die Firma in dieser Zeit auch für Gaslaternen bekannt, einer Quelle zufolge sogar als weltweit führendes Unternehmen.20 In Berlin sind heute immer noch Straßenlaternen der J. Hirschhorn AG zu finden. Ab 1930 werden in den Beschreibungen zum Sortiment nur noch Gas-Laternen und -Brenner sowie Badeöfen genannt. Dies steht sicherlich im Zusammenhang mit der Abtretung vieler Markenrechte an die neue gegründete AIDA-Gesellschaft. Vor allem der Verlust der Aida-Marke an sich dürfte die J. Hirschhorn AG schwer getroffen haben, galt sie doch als das herausragende Produkt der J. Hirschhorn AG.

Im Vertrag ist allerdings von der „Fortführung des bisher von der J. Hirschhorn Aktiengesellschaft betriebenen Handelsgeschäfts in Beleuchtungs- und Heizkörpern für flüssige Brennstoffe“ die Rede. Explizit wird also das „Handelsgeschäft“ übertragen, was die Frage aufwirft, ob die J. Hirschhorn AG eventuell auch nach Vertragsschluss noch Aida-Lampen produziert, oder ob die Firma zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr produziert hat und die Firma somit schon länger nur noch ein „Handelsgeschäft“ betrieb. Letzteres dürfte eher unwahrscheinlich sein. Für Ersteres fehlen jedoch auch Hinweise. Zusammengefasst: Was die Firma nach dem Vertrag von 1928 produziert oder herstellt, ob sie es überhaupt noch tut; all das ist unklar.


1923 - 1927

Metallwarenfabrik mit besonderem Augenmerk auf (Petroleum-)Lampen, Kochapparate und Heizöfen

1928 - 1929

Zusätzlich werden nun Straßenlaternen und Brenner für Gas, Badeöfen und Beleuchtungskörper für elektrisches Licht als Spezialität der Firma genannt

1930 1932

Nun werden ausschließlich Straßenlaternen und Brenner für Gas sowie Badeöfen als spezielle Produkte der Firma genannt

Abb. 25: Firmenbezeichnungen und Produktpalette von 1923 bis 1933






Abb. 26: Aida-Werbung aus dem Jahr 1925, die Aida-Lampe wird von der J. Hirschhorn AG vertrieben.

Abb. 27: Aida-Werbung aus der Mitte der 1930er-Jahre, die Aida-Lampe wird von der AIDA-Gesellschaft vertrieben.


Ab 1930 werden die Vorgänge rund um die J. Hirschhorn AG ziemlich undurchsichtig. Klar ist, die Firma ist zu diesem Zeitpunkt durch den Vertrag mit Ehrich & Graetz und dem damit zusammenhängenden Verlust vieler Marken eine andere Firma, als sie es noch zu Beginn der 1920er-Jahre war. Aber sie existiert noch. 1929 kommt es zu einem Umzug. Die Firma verlässt nach fast 40 Jahren die Köpenickerstraße. Die neue Adresse ist die Kottbuser Straße 9/10 in Kreuzberg, etwa zweieinhalb Kilometer entfernt.

Auffällig ist, dass an der Kottbuser Straße 9-10 recht viele Firmen für Lampen, Gasgeräte oder ähnliches ansässig sind (Abb. 29). Unter ihnen ist auch die Frister AG. Als Vertreter dieser AG wiederum sitzt Dr. Franz Fürstenheim von 1927 bis 1933 im Vorstand des Verbands Berliner Metall-Industrieller (VBMI).21





Abb. 28: Das linke, weiße Gebäude hat die Adresse Kottbuser Straße 9-10. Hier war die J. Hirschhorn AG von 1930 bis 1932 ansässig.

Abb. 28a: Die in der Kottbuser Straße 9-10 im Jahr 1931 ansässigen Firmen.

Es besteht zudem eine gewichtige Verbindung zwischen Frister und Hirschhorn: Die J. Hirschhorn AG ist eine Tochtergesellschaft der R. Frister AG (es gibt zudem noch die Israel-Frister AG).22 Franz Fürstenheims Tätigkeit als Vertreter der Frister AG im VBMI-Vorstand erklärt sich wohl aus dieser Konstellation.

Ab 1933 existiert die J. Hirschhorn AG nicht mehr selbständig, was sicherlich mit dem Konkurs der Mutterfirma R. Frister AG 193223 im Zusammenhang steht. Innerhalb der „Deutschen Gasgeräte Gesellschaft m.b.H.“ gibt es nun eine „Abteilung Hirschhorn“ (Abb. 30), die für Straßenlaternen und Brenner für Gas verantwortlich ist. Neue Adresse ist die Edisonstraße 63 in Berlin-Oberschöneweide, etwa zehn Kilometer von der Kottbuser Straße entfernt.


Abb. 29: Die Edisonstraße 63 in Oberschöneweide. Heute befinden sich dort die „Spreehöfe“.


Spätestens mit dem Untergang der J. Hirschhorn AG fallen auch deren Anteile an der Aida-Gesellschaft weg, wer diese Anteile übernimmt ist nicht klar.

Wie bereits erwähnt, scheidet Dr. Franz Fürstenheim 1928 als Geschäftsführer der J. Hirschhorn AG aus und ist als Vertreter der Frister AG von 1927 bis 1933 im Vorstand des VBMI.

Am 1. August 1925 stirbt Fürstenheims Frau Clara in Berlin.24 1928 tritt Fürstenheim der Deutsch-Französischen Gesellschaft, die Mitglied im Verband für Europäische Verständigung ist, bei.25 Ein weiteres Zeichen für Fürstenheims gesellschaftliches Engagement, zudem ist auch hier auf die in dieser Zeit keinesfalls selbstverständliche freundschaftliche Beziehung zu Frankreich hinzuweisen.

Im Dezember 1933 wendet sich Fürstenheim an Dr. Jacob Jacobson, der ihm eine Ahnentafel seiner Familie erstellen soll.26 Jacobson ist Historiker und Experte für jüdische Genealogie.27 Offenbar versucht Fürstenheim vor dem Hintergrund der beginnenden Judenverfolgung der Nationalsozialisten verzweifelt einen Nachweis nichtjüdischer Vorfahren zu finden.



Abb. 30: Eintragung im Berliner Adressbuch 1933. Die J. Hirschhorn AG existiert nicht mehr selbständig.


Bis 1941 taucht Franz Fürstenheim noch im Berliner Adressbuch auf, danach verliert sich seine Spur. Franz Fürstenheims Sohn Julius Walter Fürstenheim wird am 23. Juli 1940 im Deutschen Reichsanzeiger der deutschen Staatsangehörigkeit für verlustig erklärt.28 Gleiches wird am 7. Oktober 1941 über Eva Anneliese Fürstenheim (zu diesem Zeitpunkt Casper, geboren am 22.06.1902 in Berlin), einer Tochter Fürstenheims, erklärt29.

Cäcilie Hirschhorn taucht 1927 zum letzten Mal im Berliner Adressbuch auf. Max Hirschhorn (vermutlich Jacob Hirschhorns Neffe, vormals Besitzer der Firma M. Hirschhorn) ist bis 1935 in den Adressbüchern zu finden, Moritz Hirschhorn (vermutlich Jacob Hirschhorns Bruder, vormals ebenfalls Besitzer der Firma M. Hirschhorn) war bereits seit 1913 nicht mehr in den Büchern vermerkt.

4.2 Patente und Marken

Hinsichtlich Patentanmeldungen steht die Zeit ab 1923 ganz im Zeichen zweier großer Gemeinschaftspatente: 1926 (Abb. 32) und 1927 meldet die J. Hirschhorn AG zusammen mit den Konkurrenten Ehrich & Graetz AG, Hugo Schneider AG und Continental-Licht- u. Apparatebaugesellschaft Patente an. Grund könnte die sich anbahnende Weltwirtschaftskrise sein, die die Firmen in schweren Zeiten zur Kooperation brachte.

Anmel-dungs-datum

Patentinhaber


Patentname

Patent-nummer

Land

22.08.1924


J. Hirschhorn Akt.-Ges. in Berlin.

Unter Druck arbeitende Gluehlicht-Invertlampe fuer flüssigen Brennstoff.

435516




20.02.1926


J. Hirschhorn Akt.-Ges. in Berlin.

Gasglühlicht-Invert-Brenner.


439596




21.07.1926


J. Hirschhorn Akt.-Ges. in Berlin.

Gruppenbrennerlampe für hängendes Gasglühlicht.

442771



27.08.1926



Ehrich & Graetz Akt-Ges., J. Hirschhorn Akt.-Ges. in Berlin, Hugo Schneider Akt.-Ges. in Leipzig und Continental-Licht u. Apparatebaugesellschaft in Frankfurt a.M.

Laterne mit Dampfbrenner.




461698





29.11.1927



Ehrich & Graetz Akt-Ges., J. Hirschhorn, Akt.-Ges. in Berlin, Hugo Schneider, Akt.-Ges. in Leipzig und Continental-Licht u. Apparatebaugesellschaft in Frankfurt a.M.

Filterloser Verdampfer für mit schweren Kohlenwasserstoffen betriebene Glühlichtbrennerlampen oder -laternen.



513988





Abb. 31: Patente zwischen 1924 und 1933.




Abb. 32: Gemeinschaftspatent, angemeldet am 27. August 1928.


Insgesamt werden noch fünf Marken angemeldet. Erwähnenswert ist die Marke „Probad“ von 1933, sie scheint im Zusammenhang mit den nun von der Abteilung Hirschhorn hergestellten Badeöfen zu stehen.


Anmeldungsdatum

Markeninhaber


Markenname/Beschreibung

Markenart


Marken-
nummer

06.03.1924


J. Hirschhorn Akt.-Ges., Berlin.

Petro-Sol


Wort

314888


31.03.1924


J. Hirschhorn Akt.-Ges., Berlin.

Hir-Sol


Wort

316085


23.02.1929



J. Hirschhorn A.-G., Berlin SO 36, Kottbuserstraße 9/10.

Oekonom



Wort

408577



23.02.1929


J. J. Hirschhorn A.-G., Berlin SO 36, Kottbuserstraße 9/10.

Diamant


Wort

411570


27.04.1933



J. Hirschhorn Aktiengesellschaft, Berlin-Oberschöneweide, Edisonstr. 63.

Probad



Wort

458803



Abb. 33: Marken zwischen 1924 und 1933.






Abb. 34: Wortmarke „Petro-Sol“ (1924) aus dem „Warenzeichenblatt“

Abb. 35: Wortmarke „Probad“ (1933) aus dem „Warenzeichenblatt“

5. Anhang



Abb. 36: Personenkonstellation




Abb. 37: Anzeige aus dem Berliner Adressbuch von 1876




Abb. 38: Anzeige aus dem Berliner Adressbuch von 1877




Abb. 39: Anzeige aus dem Berliner Adressbuch von 1878




Abb. 40: Anzeige aus dem Berliner Adressbuch von 1879




Abb. 41: Anzeige aus dem Berliner Adressbuch von 1884





Abb. 42: Anzeige aus dem Berliner Adressbuch von 1885




Abb. 43: Anzeige von 1892 aus den „Fliegenden Blättern“





Abb. 44: frühes Warenzeichen von 1893
aus Illustrirtes Fachblatt „Rundschau“

Abb. 45: Werbung von 1893 aus Illustrirtes Fachblatt „Rundschau“






Abb. 46: Conia-Lampe, Prospekt von 1909

Abb. 47: Aida-Propangas-Aufsatzlampe, Prospekt von 1934






Abb. 48: Champion-Brenner

Abb. 49: „J.H.-Kriegslicht“30, Bengalia-Spiritusglühlicht






Abb. 50: Aida-Petroleumglühlicht

Abb. 51: Cyrano- und Titan-Petroleumofen






Abb. 52: Bengalia von 1909

Abb. 53: Bengalia von 1909






Abb. 54: Petroleumstarklichtlampen: Aida
233 --- 232 --- 214

Abb. 55: Bengalia-Handrad





6. Quellen

Ein besonderer Dank geht an Anton Kaim, Dietmar Gries, Michael Lenz, Jörg Wekenmann Paul Fischer, Ruedi Fischer, Erik Leger und Jürgen Breidenstein für hilfreiche Hinweise und Kopien von Katalog- und Bildmaterial. Auch die freundliche Mitarbeit in den Archiven sei hier erwähnt.

1Quelle sind die Berliner Adressbücher von 1868 bis 1896.

2In manchen Quellen taucht auch die Schreibweise „Jakob“ auf.

3In Anzeigen zwischen 1875 und 1877 ist das Gründungsjahr 1869 vermerkt. Anfang des 20. Jahrhunderts wird in den Berliner Adressbüchern hingegen 1868 als Gründungsjahr angegeben.

4http://www.luise-berlin.de/lexikon/frkr/l/lampenfabrik_hirschhorn.htm

5Deutsches Reichspatent – Nr. 90184

6Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum: Gesamtarchiv der deutschen Juden

7http://www.cuestrin.de/verwaltung/cuestrin_gymnasium_schueler.php?jahr=1883-1884&schule=16

8Franz Fürstenheim, Amaurose nach Blepharospasmus, Dissertation, Friedrich-Wilhelms-Universitat zu Berlin, 1889

9http://www.archive.org/stream/verhandlungen39gesegoog/verhandlungen39gesegoog_djvu.txt

10Quelle sind die Berliner Adressbücher von 1896 bis 1924

11Jahrbuch der Goethe-Gesellschaft 1916, Dritter Band, S. 362

12Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum: Gesamtarchiv der deutschen Juden

13Im Patent heißt es zur Erfindung: „a communication to me from abroad by the firm styled
J. Hirschhorn[...]“ - es kam als zur Zusammenarbeit zwischen Baruch Cars und der Firma J. Hirschhorn.

14Zwischen Ewald Schmidt und der Firma J. Hirschhorn muss es eine Verbindung geben. Das gleiche Patent, das von Schmidt in Deutschland eingereicht wird, wird im gleichen Jahr von der Firma J. Hirschhorn in Österreich eingereicht.

15Zu diesem Patent ist kein Anmeldungsdatum bekannt, das angegebene Datum ist das Veröffentlichungsdatum.

16Quelle sind die Berliner Adressbücher von 1924 bis 1943.

17Deutscher Reichsanzeiger Nr. 170

18Landesarchiv Berlin: A Rep. 250-01-05 Nr. 268

19Anton Kaim, Hirschhorn-Aida-Graetz – A Brand between 2 companies, S. 7

20http://j-zeit.de/archiv/artikel.2011.html

21Hans Hermann Hartwich, Arbeitsmarkt, Verbände und Statt 1918-1933, S. 26

22Peter Czada, Die Berliner Elektroindustrie in der Weimarer Zeit, S. 222

23Peter Czada, Die Berliner Elektroindustrie in der Weimarer Zeit, S. 222

24Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum: Gesamtarchiv der deutschen Juden

25Deutsch-Französische Rundschau, Band 1, Heft 1, 1928, S.263

26Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum: Gesamtarchiv der deutschen Juden

27http://de.wikipedia.org/wiki/Jacob_Jacobson

28Deutscher Reichsanzeiger Nr. 170

29Deutscher Reichsanzeiger Nr. 234

30Während des Ersten Weltkriegs gab es eine „Kriegslichtgesellschaft“ zur Deckung des zivilen Bedarfs an Spiritusglühlichtern. Hirschhorn war daran neben Erich & Graetz und Hugo Schneider beteiligt.